Allergien gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Industrieländern. Ob Heuschnupfen, Nahrungsmittelallergien, Neurodermitis oder Asthma – viele Menschen suchen nach natürlichen Möglichkeiten, ihre Beschwerden zu lindern. In diesem Zusammenhang rücken Probiotika immer stärker in den Fokus der Forschung und Öffentlichkeit. Aber was steckt wirklich dahinter? Können Probiotika tatsächlich bei Allergien helfen?
Was sind Probiotika?
Probiotika sind lebende Mikroorganismen – meist Bakterien –, die, in ausreichender Menge aufgenommen, eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben. Am bekanntesten sind sie aus fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Kefir, Sauerkraut oder Kimchi, aber sie sind auch in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Die meisten probiotischen Stämme gehören zu den Gattungen Lactobacillus, Bifidobacterium und Saccharomyces. Ihre Aufgabe ist es, das Gleichgewicht der Darmflora – das sogenannte Mikrobiom – zu unterstützen und so das Immunsystem zu stärken.
Allergien und das Immunsystem: Wo liegt der Zusammenhang?
Eine Allergie entsteht, wenn das Immunsystem auf harmlose Substanzen (z. B. Pollen, Hausstaub oder bestimmte Lebensmittel) überreagiert. Diese Überreaktion ist häufig auf eine Fehlregulation des Immunsystems zurückzuführen. Hier kommt das Mikrobiom ins Spiel:
Der Darm ist nicht nur für die Verdauung zuständig, sondern auch ein zentrales Immunorgan. Etwa 70–80 % der Immunzellen befinden sich im Darm. Ein Ungleichgewicht der Darmflora – etwa durch Antibiotika, schlechte Ernährung oder Stress – kann das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen und allergische Reaktionen begünstigen.
Wie können Probiotika bei Allergien helfen?
Probiotika beeinflussen das Immunsystem auf verschiedene Weise:
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Regulation der Immunantwort
Probiotika können entzündungsfördernde Immunreaktionen dämpfen und die Bildung von T-regulatorischen Zellen fördern. Diese Zellen helfen, das Immunsystem zu „beruhigen“ und Überreaktionen zu vermeiden. -
Stärkung der Darmbarriere
Eine gesunde Darmwand verhindert das Eindringen von Allergenen in den Blutkreislauf. Probiotika unterstützen den Erhalt dieser Barrierefunktion. -
Wettbewerb mit schädlichen Keimen
Sie hemmen das Wachstum von krankmachenden Mikroorganismen, die Entzündungen begünstigen können. -
Beeinflussung der IgE-Antikörper-Produktion
Einige Studien zeigen, dass Probiotika die Bildung der bei Allergien typischen IgE-Antikörper reduzieren können.
Was sagt die Forschung?
Die Studienlage ist vielversprechend, aber noch nicht einheitlich. Hier ein Überblick:
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Heuschnupfen: Probiotika (z. B. Lactobacillus paracasei LP-33 und GMNL-133) können Symptome wie Nasenlaufen und Augenjucken reduzieren.
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Neurodermitis (atopische Dermatitis): Vor allem bei Säuglingen zeigen bestimmte Probiotikastämme eine vorbeugende Wirkung, wenn sie frühzeitig gegeben werden. Auch hier wurde erfolgreich Lactobacillus paracasei eingesetzt.
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Asthma: Erste Studien deuten auf eine mögliche Linderung der Entzündungsreaktion hin, aber die Datenlage ist noch begrenzt.
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Nahrungsmittelallergien: Die Forschung steckt hier noch in den Anfängen, aber es gibt Hinweise darauf, dass Probiotika die Toleranzentwicklung gegenüber Allergenen fördern könnten.
Probiotika in der Schwangerschaft und im Säuglingsalter
Der frühkindliche Aufbau der Darmflora ist entscheidend für die spätere Gesundheit. Studien zeigen, dass Probiotikagabe in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie beim Säugling selbst das Risiko für die Entwicklung von Allergien – insbesondere Neurodermitis – senken kann.
Anwendung und Auswahl von Probiotika
Wer Probiotika bei Allergien einsetzen möchte, sollte Folgendes beachten:
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Stammspezifität: Nicht jedes Probiotikum wirkt gleich. Die Wirkung hängt vom genauen Bakterienstamm ab (z. B. Lactobacillus rhamnosus LP-33).
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Kombination mehrerer Stämme kann oft effektiver sein als Einzelpräparate.
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Regelmäßige Einnahme über mehrere Wochen ist meist notwendig, um eine Wirkung zu erzielen.
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Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin ist besonders bei chronischen Erkrankungen oder bei Kindern sinnvoll.
Fazit: Natürliche Unterstützung für das Immunsystem
Probiotika stellen eine vielversprechende Möglichkeit dar, das Immunsystem positiv zu beeinflussen und allergische Reaktionen zu lindern. Zwar sind noch nicht alle Mechanismen vollständig verstanden und nicht alle Ergebnisse eindeutig – dennoch sprechen viele Studien dafür, dass bestimmte Probiotikastämme eine sinnvolle Ergänzung zur Allergiebehandlung sein können.
Sie ersetzen jedoch keine medizinische Therapie, sondern sind als unterstützende Maßnahme zu sehen – mit dem Potenzial, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen und das Immunsystem auf sanfte Weise zu regulieren.