Mundgeruch – medizinisch als Halitosis bezeichnet – ist für viele Menschen ein Tabuthema. Doch er betrifft weitaus mehr Menschen, als man denkt: Schätzungen zufolge leidet jeder vierte Erwachsene regelmäßig unter schlechtem Atem. Was viele nicht wissen: Mundgeruch ist nicht nur ein ästhetisches Problem oder eine Folge schlechter Zahnpflege. In zahlreichen Fällen steckt eine ernstzunehmende Grunderkrankung dahinter.
Dieser Beitrag beleuchtet umfassend, welche Krankheiten starken Mundgeruch verursachen können, wie man sie erkennt, welche Symptome begleitend auftreten und was man dagegen tun kann. Dabei betrachten wir nicht nur die klassischen Ursachen in der Mundhöhle, sondern auch Erkrankungen aus dem Bereich Magen, Stoffwechsel, Atemwege und mehr.
Was ist Mundgeruch eigentlich?
Bevor wir uns den Ursachen zuwenden, ist es hilfreich, Mundgeruch fachlich einzuordnen. Mediziner unterscheiden zwischen zwei Arten:
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Foetor ex ore: Schlechter Geruch beim Ausatmen durch den Mund.
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Halitosis: Mundgeruch, der sowohl beim Ausatmen durch Mund als auch Nase auftritt – oft ein Zeichen für systemische Erkrankungen.
Unangenehmer Atem entsteht durch flüchtige Schwefelverbindungen (VSCs = Volatile Sulfur Compounds), die beim Abbau von Eiweißen durch Bakterien entstehen. Dazu zählen Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan und Dimethylsulfid – Stoffe mit sehr intensivem Geruch. Abhängig von ihrer Quelle können sie Hinweise auf bestimmte Krankheiten geben.
Die Rolle der Bakterien im Mund
In etwa 80–90 % der Fälle ist die Ursache für Mundgeruch in der Mundhöhle selbst zu finden. Vor allem die Zunge, Zahnzwischenräume und Zahnfleischtaschen bieten ideale Nischen für Bakterien, die Geruchsstoffe bilden.
Typische Auslöser im Mund sind:
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Zungenbelag
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Parodontitis (Zahnfleischentzündung)
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Karies
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Mundtrockenheit (Xerostomie)
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Schlechte Mundhygiene
Doch wenn trotz intensiver Pflege der Atem unangenehm bleibt oder von weiteren Symptomen begleitet wird, sollte man hellhörig werden – denn dann kann der Mundgeruch ein Alarmsignal für ernsthafte Krankheiten sein.
Krankheiten, die starken Mundgeruch verursachen können
Die folgende Tabelle bietet einen ersten Überblick über Krankheiten, die mit starkem Mundgeruch einhergehen können:
Krankheit | Typischer Geruch | Begleitende Symptome |
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Parodontitis | faulig, eitrig | Zahnfleischbluten, Rückgang des Zahnfleischs |
Karies | säuerlich, faul | Zahnschmerzen, sichtbare Löcher im Zahn |
Mandelentzündung (Tonsillitis) | modrig | Halsschmerzen, Fieber, Schluckbeschwerden |
Refluxkrankheit (GERD) | sauer, säuerlich | Sodbrennen, Aufstoßen, Heiserkeit |
Helicobacter pylori-Infektion | faulig, säuerlich | Magenschmerzen, Übelkeit, Appetitverlust |
Diabetes mellitus (Ketoazidose) | süßlich, acetonartig | Müdigkeit, Gewichtsverlust, starker Durst |
Leberinsuffizienz | faulig, "Leber-Foetor" | Gelbsucht, Müdigkeit, Übelkeit |
Nierenversagen | urinartig, ammoniakartig | Ödeme, Bluthochdruck, Konzentrationsstörungen |
Bronchiektasen | eitrig, schleimig | Chronischer Husten, Auswurf, Atemnot |
Tumoren im Hals-/Rachenbereich | modrig, verrottend | Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Gewichtsverlust |
Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf diese Erkrankungen.
1. Parodontitis – Entzündung des Zahnhalteapparats
Eine der häufigsten Ursachen für chronischen Mundgeruch ist Parodontitis. Dabei handelt es sich um eine bakterielle Entzündung des Zahnfleisches, die unbehandelt zum Abbau von Kieferknochen führt. Besonders aggressive Bakterien wie Porphyromonas gingivalis zersetzen Gewebe und bilden übelriechende Gase.
Charakteristisch ist ein fauliger Geruch, begleitet von Zahnfleischbluten, Zahnlockerung und Rückgang des Zahnfleisches. Frühzeitige zahnärztliche Behandlung ist unerlässlich, um Zahnausfall zu verhindern.
2. Chronische Tonsillitis (Mandelentzündung)
Bei häufig entzündeten Mandeln sammeln sich Speisereste, abgestorbene Zellen und Bakterien in den Mandelgruben. Diese sogenannten Tonsillensteine (Tonsillolithe) sind wahre Geruchsbomben – sie bestehen zu einem großen Teil aus Schwefelverbindungen und können sehr unangenehm riechen.
Typisch ist ein modriger Geruch, der trotz Zahnpflege bleibt. Manchmal lassen sich die weißen Steine sogar mit dem Finger oder Wattestäbchen ausdrücken.
3. Helicobacter pylori und Magenerkrankungen
Der Magenkeim Helicobacter pylori ist bekannt für seine Rolle bei Magengeschwüren, Gastritis und in manchen Fällen sogar Magenkrebs. Er kann auch den Atem beeinflussen: Wenn der Keim Gase bildet, gelangen diese durch Aufstoßen in die Mundhöhle.
Menschen mit H. pylori leiden oft an Blähungen, Völlegefühl und Mundgeruch, der als faulig-säuerlich beschrieben wird. Eine Diagnostik über Atemtest oder Gastroskopie kann hier Klarheit bringen.
4. Refluxkrankheit (GERD)
Bei der Refluxkrankheit gelangt Magensäure in die Speiseröhre – manchmal bis in den Mund. Das führt nicht nur zu Sodbrennen, sondern auch zu einem sauren Mundgeruch, besonders morgens oder nach dem Liegen.
Die Magensäure kann zusätzlich das Zahnfleisch reizen, Bakterienwachstum fördern und langfristig die Mundflora stören.
5. Diabetes mellitus – Wenn der Atem süßlich riecht
Ein süßlich-fruchtiger Atem ist ein bekanntes Anzeichen für eine diabetische Ketoazidose – eine potenziell lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung. Dabei werden Fettsäuren statt Glukose verbrannt, wobei Ketonkörper wie Aceton entstehen, die über die Atemluft abgegeben werden.
Diese Form des Mundgeruchs tritt oft bei Menschen mit unbehandeltem oder schlecht eingestelltem Typ-1-Diabetes auf und sollte sofort ärztlich abgeklärt werden.
6. Niereninsuffizienz – „Uringeruch“ im Atem
Bei fortgeschrittener Nierenschwäche (Urämie) sammeln sich harnpflichtige Substanzen im Körper, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden. Diese Abfallstoffe gelangen teilweise in die Atemluft und verursachen einen ammoniakartigen oder urinähnlichen Geruch.
Betroffene klagen oft zusätzlich über chronische Müdigkeit, Übelkeit und Hautjucken. Bei Verdacht sollte dringend ein Nephrologe aufgesucht werden.
7. Leberinsuffizienz – Foetor hepaticus
Bei schwerer Lebererkrankung – etwa Leberzirrhose – kann es zum sogenannten Foetor hepaticus kommen: einem intensiven, süßlich-fauligen Geruch der Atemluft. Ursache sind schwefelhaltige Substanzen, die sich im Blut ansammeln und über die Lunge ausgeschieden werden.
Oft treten zusätzlich Gelbfärbung der Haut (Ikterus), Gewichtsverlust und Konzentrationsprobleme auf. Lebererkrankungen sind ernstzunehmende Ursachen und erfordern umfassende Diagnostik.
8. Tumoren im Hals-, Rachen- oder Nasenbereich
Tumoren im Bereich von Mund, Rachen oder Nasennebenhöhlen verursachen manchmal Gewebezerfall, der einen modrigen, verrottenden Geruch erzeugt. Besonders bei Tumoren, die unbemerkt wachsen, ist Mundgeruch eines der ersten Warnsignale.
Weitere Symptome sind anhaltende Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Knoten am Hals oder Gewichtsverlust. Hier ist eine schnelle Abklärung durch einen HNO-Arzt oder Onkologen wichtig.
9. Infektionen der Atemwege
Chronische Bronchitis, Lungenabszesse oder Bronchiektasen können zu einem übel riechenden Atem führen – vor allem dann, wenn eitriger Auswurf entsteht. Der Geruch entsteht durch Zersetzungsprozesse im Bronchialsekret.
Patienten klagen oft über chronischen Husten, Atemnot oder häufige Infekte. Auch hier ist eine pulmonologische Abklärung empfehlenswert.
Wann zum Arzt?
Nicht jeder Mundgeruch weist auf eine Krankheit hin – gelegentlich ist er einfach die Folge von Knoblauch, Kaffee oder einem trockenen Mund. Doch wenn der Geruch regelmäßig auftritt, trotz intensiver Zahnpflege bleibt und von weiteren Symptomen begleitet wird, sollte man medizinischen Rat einholen.
Warnsignale sind:
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Süßlich- oder fauliger Atem trotz Zahnpflege
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Anhaltender Zungenbelag oder belegte Zunge
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Wiederkehrende Halsschmerzen oder Magenbeschwerden
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Unerklärlicher Gewichtsverlust oder Müdigkeit
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Atemgeruch mit chemischer Note (Aceton, Ammoniak)
Diagnosemöglichkeiten
Je nach Verdacht stehen verschiedene Diagnoseverfahren zur Verfügung:
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Orale Untersuchung beim Zahnarzt
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Zungenabstrich oder mikrobiologische Analyse
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Atemtests (z. B. H. pylori, Ketone)
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Blutwerte (Niere, Leber, Glukose)
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Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung
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Gastroenterologische Diagnostik
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, Internisten und HNO-Ärzten ist bei unklarer Halitosis oft hilfreich.
Fazit: Mundgeruch ernst nehmen – Gesundheit schützen
Starker Mundgeruch ist mehr als ein kosmetisches Problem. Er kann ein Hinweis auf ernste Krankheiten wie Diabetes, Leber- oder Nierenerkrankungen, Magenprobleme oder sogar Tumoren sein. Deshalb sollte er nicht tabuisiert oder ignoriert werden.
Wer regelmäßig unter Mundgeruch leidet, sollte nicht nur seine Zahnpflege überprüfen, sondern auch medizinisch abklären lassen, ob eine systemische Erkrankung vorliegt. Früh erkannt, lassen sich viele Ursachen gut behandeln – und der Atem wird wieder frisch.