Während in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit auf das Mikrobioms des Darms gerichtet wurde, zeigen aktuelle Forschungsergebnisse zunehmend die wichtige Rolle des oralen Mikrobioms für unsere Gesundheit. Ein ausgeglichenes Mikrobiom im Mund ist für unser Wohlbefinden unerlässlich. Der Mundraum wird von einer Vielzahl von Mikroorganismen bewohnt, darunter Bakterien, Pilze, Viren und Einzeller. Um ein gesundes orales Mikrobiom zu fördern, sind neben der regelmäßigen Mundpflege auch eine ausgewogene Ernährung und die Einnahme von Probiotika entscheidend.
Das Mikrobiom der Mundhöhle
Das Mikrobiom im Mund ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Körpers und wird als zweitwichtigstes Mikrobiom nach dem Darm angesehen. Der Mundraum beherbergt eine große Vielfalt an Mikroorganismen, schätzungsweise bis zu 700 verschiedene Arten, von denen viele nur dort vorkommen. Zahlreiche Studien der letzten Jahre belegen, dass das orale Mikrobiom eine entscheidende Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten spielt.
Zusammensetzung des Oralen Mikrobioms
Das orale Mikrobiom setzt sich aus einer Vielzahl von anaeroben Bakterienstämmen zusammen, einschließlich grampositiver und gramnegativer Bakterien wie Kokken, Bazillen und Spirillen. Zu den häufigsten gehören Bifidobacterium, Fusobacterium, Lactobacillus, Leptotrichia, Peptococcus, Selenomonas und Veillonella. Diese Mikroorganismen leben in einer gesunden Mundhöhle in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Neben Bakterien finden sich auch Pilze, Viren und Einzeller in der Mundflora.
Auswirkungen einer gestörten Mundflora
Eine Störung dieses Gleichgewichts, auch Dysbiose genannt, kann zur unkontrollierten Vermehrung pathogener Bakterien führen, die sowohl harte als auch weiche Gewebe besiedeln und Krankheiten wie Parodontitis und Karies, aber auch Mandel- Rachen- und Mittelohrentzündungen verursachen können. Zu den pathogenen Bakterien, die bei diesen Erkrankungen eine Rolle spielen, zählen u.a. Streptococcus mutans, Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus und Porphyromonas gingivalis.
Entwicklung des Oralen Mikrobioms im Lebensverlauf
Die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms verändert sich im Laufe des Lebens. Neugeborene kommen bei der Geburt und durch das Stillen mit dem Mikrobiom der Mutter in Kontakt. Die Art der Geburt beeinflusst das frühe Mikrobiom des Kindes erheblich. Bei einer natürlichen Geburt kommt das Kind beim Passieren des Geburtskanals mit dem mütterlichen Mikrobiom in Berührung, während bei einem Kaiserschnitt der erste Kontakt mit Bakterien über die Haut der Eltern und das medizinische Personal erfolgt, was die Besiedelung mit schützenden Bakterien reduziert.
Einflussfaktoren auf das Mikrobiom
Im Laufe des Lebens beeinflussen viele Faktoren die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms, darunter Genetik, Ernährung, Lebensgewohnheiten (wie Rauchen und Alkoholkonsum), Mundhygiene und die Einnahme von Medikamenten. Besonders die Einnahme von Antibiotika kann weitreichende Auswirkungen auf die Mundflora haben.
Das orale Mikrobiom und Krankheiten
Karies und Parodontitis
Karies ist eine der häufigsten Krankheiten im Mundraum. Ein Ungleichgewicht im Mikrobiom kann zu einer Dysbiose führen, die durch Faktoren wie schlechte Ernährung, chronische Krankheiten, hormonelle Veränderungen und mangelnde Mundhygiene begünstigt wird. Das pathogene Bakterium Streptococcus mutans spielt eine zentrale Rolle bei der Kariesentwicklung. Parodontitis beginnt mit einer Entzündung des Zahnfleisches (Gingivitis), die durch schlechte Mundhygiene, Rauchen und andere Faktoren ausgelöst wird.
Diabetes
Diabetes kann sowohl Ursache als auch Folge einer gestörten Mundflora sein. Überzuckerung des Blutes kann zu Speichelmangel führen, was das Risiko für Karies und Entzündungen erhöht. Orale Erkrankungen können wiederum den Verlauf von Diabetes verschlechtern. Die Behandlung von Mundentzündungen kann zur Verbesserung des glykämischen Status beitragen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Veränderungen im oralen Mikrobiom werden mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Entzündungen im Mund können proinflammatorische Moleküle und Bakterien in den Blutkreislauf freisetzen, die das Endothel schädigen und zur Arteriosklerose führen. Pathogene wie Porphyromonas gingivalis und Streptococcus mutans sind mit einem erhöhten Risiko für diese Erkrankungen assoziiert.
Verdauungskrankheiten
Speichel transportiert täglich zahlreiche Mikroorganismen in den Verdauungstrakt. Eine Dysbiose im Mund kann zu entzündlichen Darmerkrankungen führen, da pathogene Bakterien wie Porphyromonas gingivalis die Darmflora verändern und die Barrierefunktion beeinträchtigen können.
Krebserkrankungen
Veränderte Zusammensetzungen des oralen Mikrobioms werden mit verschiedenen Krebsarten wie Pankreas-, Speiseröhren- und Darmkrebs in Verbindung gebracht. Mikroorganismen können direkt die Tumorentstehung beeinflussen oder indirekt durch die Beeinflussung der Immunreaktion zwischen Tumor und Körper.
Alzheimer
Es gibt Hinweise darauf, dass das orale Mikrobiom mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung steht. Eine schwere Parodontitis kann die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen, indem entzündliche Zytokine über die Blutbahn ins Gehirn gelangen. Schlechte Mundhygiene bei Alzheimerpatienten fördert Entzündungen und Zahnverlust, was das Essverhalten und die Ernährung weiter verschlechtert.
Rheumatische Arthritis
Rheumatische Arthritis (RA) und Parodontitis teilen ähnliche Risikofaktoren und Symptome. Eine effektive Behandlung von Parodontitis kann positive Auswirkungen auf RA haben. Beide Erkrankungen haben vergleichbare immunentzündliche Ursachen, und es wird vermutet, dass RA durch orale Bakterien verursacht werden könnte.
Die Bedeutung von Streptococcus salivarius für das orale Mikrobiom
Streptococcus salivarius spielt eine zentrale Rolle im gesunden oralen Mikrobiom. Es ist einer der ersten Kolonisierer im Mundraum von Neugeborenen und bietet Schutz vor Infektionen im Kindesalter. Seine Dominanz in den ersten Lebensjahren deutet auf eine wichtige Schutzfunktion hin. Streptococcus salivarius bildet Biofilme, produziert antibakterielle Substanzen und neutralisiert den pH-Wert im Mund. Es verdrängt pathogene Bakterien und schützt vor oralen Erkrankungen.
Bedeutung eines ausgeglichenen Oralen Mikrobioms
Ein gesundes orales Mikrobiom ist für das allgemeine Wohlbefinden unerlässlich. Ein Ungleichgewicht kann zu Parodontalerkrankungen führen, die wiederum mit systemischen Erkrankungen verbunden sind. Eine gute Mundpflege, gesunde Ernährung und der Verzicht auf schädliche Gewohnheiten sind entscheidend, um ein gesundes orales Mikrobiom zu erhalten und so die allgemeine Gesundheit zu fördern.